Asana 2021 Paschimottanasana

Vortwärtsbeuge im Sitzen

Lange hat´s gebraucht, bis ich mich für dieses Asana als Jahres-Asana 2021 entschieden habe, dabei war es schliesslich ganz einfach: diese Asana hat mich vor 20 Jahren dazu gebracht, mich tiefer mit der Bedeutung der einzelnen Körperhaltungen – Asana zu beschäftigen, mich auf meinen persönlichen Weg gebracht, sozusagen.

Warum? Weil ich mich in der Vorwärtsbeuge zu Beginn so steif und unbeweglich fühlte und ich mich anfing zu fragen, weshalb das so ist. Weshalb gehen bestimmt Übungen ganz gut, fast ohne Anstrengung und bei dieser habe ich mit solchen Widerständen zu kämpfen, während – am Anfang macht man das ja doch sehr gerne – einige andere in der Yogagruppe, sich in der Haltung doch recht wohl zu fühlen schienen?

Meine damalige Yogalehrerin hat mir dann dieses Buch empfohlen „Das Geheimnis des Hatha Yoga – Symbolik, Deutung, Praxis“ von Swami Sivananda Radha das ich auch immer noch gerne zur Hand nehme und siehe da – darin steht zu Paschimottanasana folgendes: 

„Diese Asana vermittelt die wichtige Erfahrung der Hingabe. Tief im Inneren wird ein Prozeß in Gang gesetzt, der den Schüler weicher macht und der zu einer Erweiterung führt. Innerhalb des beschränkten Spielraums der Körperbewegung dehnt diese Übung die Muskeln und Bänder, sie führt aber zugleich zur Ausdehnung der Grenzen des Denkens, des Fühlens, des Erkennens und des Verstehens. Die mit dieser Haltung verbundene Hingabe drückt sich besonders deutlich durch die Tatsache aus, daß man in dieser Stellung weder nach rückwärts noch nach oben blicken kann. In der willigen Hinnahme der Situation liegt Demut. Die Hände, der Ausdruck für die liebevolle Berührung und den sicheren Halt, strecken sich, um die Füße, das Fundament unseres Seins, zu umfassen. Mit Geduld und Hingabe nehmen wir uns dann genügend Zeit, uns zu dehnen und lang auszustrecken. Alle Asanas haben das Ziel, die Wirbelsäule ins Bewusstsein zu rücken. Paschimottanasana bildet keine Ausnahme. Ehe es dem Schüler gelingt, sich mit gestreckter Wirbelsäule in der Mitte zusammenzufalten, hat er oft mit einem Buckel zu kämpfen, Sinnbild für ein Hindernis, das er auch im Leben überwinden muß. Erst danach ist die Hingabe tief genug und er wird aufnahmebereit.“ 

Wow, so magisch kann die Betrachtung der Aspekte einer Körperhaltung sein! 20 Jahre später liebe ich es mich in die Vorwärtsbeuge hinein zu dehnen, auch wenn ich mich manchmal, wenn auch immer seltener, immer noch etwas steif empfinde und mit Widerständen zu kämpfen habe. So ist diese Haltung für mich ein Symbol für meinen, vielleicht auch den Yoga- Lebens- Weg: es geht darum immer wieder hin zuspüren was gerade los ist, Widerstände achtsam wahrzunehmen und anzuerkennen, in die Akzeptanz zu kommen und dann  – mit Demut, Vertrauen und Hingabe, – daran zu wachsen und uns weiter zu entwickeln. Blockaden der Vergangenheit, die sich an der Körperrückseite manifestiert haben, können so gelöst werden. Altes und Überholtes wird im Manipura-Chakra verbrannt und aus der Reinigung durch das Feuer kann Neues entstehen. 

Körperliche Aspekte:

Nicht nur der sprichwörtliche Buckel kann ein Hindernis sein, viele Menschen haben mit verkürzter Muskulatur an der Rückseite der Beine und Hüften zu kämpfen, oft wer im Alltag viel sitzt. Beim Neigen nach Vorne wird der lange Rückenstrecker Wirbel für Wirbel gedehnt, ja die gesamte Körper-Rückseite (Beginnend an der Kopf-Faszie, gefolgt vom großen Rückenstrecker, Gesäßmuskel, hintere Oberschenkelmuskeln, Wadenmuskeln bis zur Achillessehne, Fußsehnenplatte).
Daher auch der Name: Die Rückseite des Körpers gilt im Yoga als Westseite, da er sich beim Morgengebet, Surya Namaskar, mit der Körpervorderseite nach Osten, der aufgehenden Sonne zuwendet. Pascha = hinter, nach, später, westlich uttana = intensive Dehnung. 
Die Kobra, Bhujangasana ist als Rückbeuge ein schöner Gegenspieler bzw. sanft geübt, ausgleichender Aspekt zur Vorbeuge.

Hilfestellung:

Eine gefaltete Decke unter dem Gesäß kann die Beugung der Hüfte erleichtern. Die Beine in den Knien eher etwas gebeugt zu halten lässt den Rücken leichter nach vorne sinken. 

Vorbereitung & Atmung:

Aus der Stocksitzhaltung, Dandasana, bei der wir einatmend mit möglichst gestreckten Beinen in die Aufrichtung der Wirbeläule kommen, den Rücken strecken, die Arme mit nach oben strecken, dann mit der Ausatmung aus der Hüfte heraus nach Vorne beugen, dabei auch in den Beinen weicher werden, Knie eventuell etwas beugen um so in eine angenehme Dehnung zu kommen. Idealerweise sollte die Dehnung in der Mitte der Muskulatur erfahren werden und nicht in den Sehnen. Denk dabei ruhig etwas über die Symbolik und deine persönlichen derzeitigen Hindernisse nach und verbinde dich mit Demut und Hingabe, das lässt dich weicher werden und nach und nach tiefer in die Dehnung hinein sinken. Bleib in den Armen eher passiv, Ellbogen gebeugt, kein ziehen und zerren mit den Händen an den Füssen sondern anerkennen des derzeitigen Zustandes und dort (mit den Händen) ankommen, wo es in diesem Moment stimmig ist. 

Viel Freude auf deinem persönlichen Weg und beim Üben von Paschimottansana

Bild: Schöne Variante aus dem Kinderyoga. Yoga Mudra & Paschimottanasana als Partnerübung

Namasté 


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