Pratyahara
5. Stufe des Ashtanga-Yoga – Das Zurückziehen der Sinne
Pratyahara heisst wörtlich übersetzt Fasten
Ziel der 5. Stufe auf Patanjalis Ashtanga-Yoga-Weg ist, dass unser „Zugehen auf die Außenwelt nicht von den Möglichkeiten und Gewohnheiten der Sinne beherrscht wird.“
Gemeint sind damit im Yogasutra nicht nur die fünf Sinnesfunktionen Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Fühlen, weitere fünf Funktionen werden dazu gezählt: Sprechen, Gestalten (Hände), Gehen (Füße), Verdauen und sexuelle Zusammenkunft. Diese zehn Funktionen bilden gemeinsam unsere Kontaktzugänge zur Außenwelt. Sie haben die Eigenschaft auf unkontrollierbare Weise auf Reize zu reagieren. Ihr eigenständiges Wirken ist ein großes Hindernis, wenn wir wirklich nach innen lauschen und die Stimme des inneren Selbst vernehmen wollen.
Im Alltag könnte Pratyahara folgendermassen aussehen: Ich bereite ein leckeres Gericht für die Familie zu, die Familie ist zwar da und das weiss ich auch, aber ich bin total vertieft in die Zubereitung des Essens, ich rieche die Gewürze und Zutaten die ich anbrate, ich schmecke ab, ich fühle was ich tue und benutze meine Hände beim schneiden und umrühren, ich höre wie es brodelt und zischt, ich erfreue mich an den verschiedenen Farben des Gemüses – so unterstützen mich meine Sinnesfunktionen in meiner Tätigkeit und lassen meine volle Aufmerksamkeit dort weilen.
Würde ich nun meine Ohren spitzen, weil ich mitbekomme, dass meine Familie nebenan ein Gespräch führt, vielleicht weil es etwas lauter wurde und energischer, wäre ich wieder herausgerissen aus diesem Zustand und würde nun meine Aufmerksamkeit zu einem Teil darauf richten, was dort gesprochen wird und mich während des Kochens vielleicht sogar noch einmischen und mitreden, dadurch würden meine Sinne immer mehr wieder „zum Instrument der äußeren Welt“.
In der Yogastunde kann das nach-Innen-richten der Sinne als Thema erfahrbar gemacht werden durch den Hinweis mit geschlossenen Augen zu üben und das lauschen auf die Ujjayi Atmung. Zusätzlich können Punkte für die Aufmerksamkeit / das Fühlen gegeben werden wie z.B. der Nabel in der Ausatmung und/oder die Bewegung der Wirbelsäule während der Einatmung. Ein anspruchsvolles Hauptasana für diese Stunde, könnte Mahamudra sein, in dem der Fokus darauf gerichtet wird, die Aufmerksamkeit nach innen zu richten, der Atmung zu folgen und ihn in einer bestimmten Weise zu führen und so mit der Haltung zu verbinden.
Eine einzige mir bekannte Übung, die Pratyahara direkt zur Anwendung bringt, ist das Shanmukti-Mudra: dabei werden die Hände so auf das Gesicht aufgelegt dass die Daumen den Gehörgang verschliessen, die kleinen Finger die Mundwinkel berühren, die Zeigefinger die Nasenflügel, Mittelfinger die Augen. Am Ende der vollständigen Ausatmung, in Bahya-Kumbakha werden alle Öffnungen verschlossen. Dieses Mudra sollte nur unter erfahrener Anleitung geübt werden.
Sriram schreibt „Wenn es uns gelingt, die Sinnesfunktionen so zu besänftigen, dass sie sich nicht zu leicht mit äußeren Informationen verbinden, dann verbündet sie sich mit Citta (dem meinenden Selbst). Nicht der äußere Reiz, sondern die innere Absicht ist dann für die Wirkung dieser Funktion bestimmend.“
Die beiden Sutren zu Pratyahara sind die beiden letzten des zweiten Kapitels – Sadhana Pada, also dem praktischen Übungsweg des Yoga – hier die dazu von R. Sriram angeführten Erläuterungen:
2:54
Wenn die Sinne nicht allzu leicht von äußeren Objekten gelenkt werden, werden sie gereinigt und das Innenleben gewinnt an Kraft.
2:55
Durch die Stärkung des Innenlebens öffnen sich die Sinne für tieferes Wahrnehmen.
Mit diesem Sutra schließt also das zweite Kapitel ab. Der Schüler hat nun alle üb-baren Werkzeuge an der Hand um sich dem „Inneren Weg“ zuzuwenden – Samyama, der Versenkung, die aus den letzten drei Stufen des Asthanga Yoga besteht: Dharana, Dhyana und Samadhi.
Solange die Sinne zerstreut sind, wird es hier allerdings wenig Aussicht auf Erfolg geben.
Lies hier weiter:
https://www.sayoga.de/patanjali-das-yogasutra/ https://www.sayoga.de/achtstufiger-yogaweg-pratyahara/
Quelle: Patanjali – Das Yogasutra von R. Sriram, Theseus Verlag
Tags:Meditation, Patanjali, Pratyahara, R. Sriram, Selbstreflexion, Yoga Sutra
Etwas über Sandra
Sandra Simon ist ärztlich geprüfte Yogalehrerin und ausgebildet in Yogaunterricht für Gruppen und Einzelpersonen mit therapeutischem Ansatz.
Kategorien
Schlagwörter
Yogastunde – 1. Chakra, Wurzeln
Vorbereitung: Raum mit roten Farbelementen, rote Bekleidung, Raumduft: Rosmarin. Meditation im Sitzen: über die Sitzhöcker…
Meine neue Lehrerin
Seit längerer Zeit bin ich auf der Suche nach "meinem" Yogaweg. und wurde so zu…
Glückliches Neues Jahr 2014
Aus Zufriedenheit geht unvergleichliches Glück hervor. Ihr Lieben, für dieses Jahr habe ich einen Sloka…